Käthe Kollwitz war Zeit ihres Lebens eine aufmerksame Beobachterin, die auch Alltagsszenen interessiert wahrnahm, zum Teil in ihrem Tagebuch beschrieb und zeichnerisch festhielt. Diese Skizzen dienten ihr als Übung und als Ideenvorrat zur späteren künstlerischen Verwendung. Sie erwarb sich dadurch ein Können, das „es mir ermöglicht ohne Modell das auszudrücken, was ich will“, wie sie im Jahr 1909 in ihrem Tagebuch notierte.
Das Skizzieren sollte Kollwitz daher auch nie vollständig aufgeben. Ihre ausgereiften und nach vielen Variationen zur zeitlosen künstlerischen Aussage verdichteten Druckgrafiken und großformatigen Zeichnungen gehen aus den lebensvollen und spontanen Skizzen hervor, die sie, wie beiläufig, immer wieder anfertigte. Besonders eindrucksvoll ist dieser Arbeitsprozess an den Mutter-Kind-Darstellungen zu verfolgen. Anders als in den ausformulierten Kompositionen mit ihren häufig sorgenvollen Motiven interessierte Kollwitz zunächst die natürliche Verbindung von Mutter und Kind, häufig beim Stillen oder liebevollen Beieinandersein. Aus den Beobachtungen vertrauter Interaktion zwischen Mutter und Kind konzentrierte die Künstlerin dann in einem häufig langwierigen Arbeitsprozess die beabsichtigte künstlerische Aussage.
Dabei arbeitete Kollwitz sowohl mit zufällig gemachten Beobachtungen als auch mit Modellen. Häufig notierte sie gerade Begegnungen mit Kindern in ihren Tagebüchern: „Zeichne Mutter, die ihr Gesicht an ganz kleines Kind drückt“ (28.9.1909) oder „Früh bei Frau Soost gewesen. Ihr Röschen ist gestorben. Liegt wachsbleich mit tiefeingesunkenen Augen und offenem Mündchen im Wagen. Ich zeichne das Kindchen.“ (18.3.1918). 1910 beschrieb sie eine Situation in ihrem Atelier mit einem weiblichen Modell und einem Kind: „Prachtvoll war sie mit dem Jungen, wie sie ihn im Schoß hatte und mit ihm tollte.“
Die hier präsentierten, vornehmlich aus einer Privatsammlung stammenden Zeichnungen und Zustandsdrucke zum Thema „Mutter und Kind“ eröffnen daher mit ihren ungezwungenen Darstellungen eines innigen und spielerischen Zusammenseins einen neuen Blick auf die Künstlerin Kollwitz, ihr zeichnerisches Können und ihre Arbeitsweise.
Mit fast 20 Arbeiten, die zum Teil noch nie öffentlich gezeigt wurden, präsentiert die Ausstellung einen Aspekt im Werk von Käthe Kollwitz, der ungewohnt ist und neugierig macht.